An der Operation „Barbarossa“, dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion, der am 22. Juni 1941 begann, waren drei Armeegruppen beteiligt, die mindestens 120 Divisionen umfassten. Es war die stärkste Konzentration von Wehrmachtskräften im Zweiten Weltkrieg. Die Kampfmission der Gruppe Süd war die Vernichtung der Roten Armee auf dem Territorium der Ukraine westlich des Dnjepr. Die Speerspitze dieser Gruppe war Kleists 1. Panzergruppe, benannt nach ihrem Kommandeur, General von Kleist. Sie bestand aus fünf Panzer-, drei motorisierten und vier Infanteriedivisionen, denen später ungarische, italienische und slowakische Kontingente beitraten.

Dieses bisher unbekannte Archiv eines unbekannten deutschen Offiziers ist ein einzigartiges dokumentarisches Zeugnis vom Beginn des Blitzkriegs der deutschen Armee gegen die UdSSR. Mehrere Rollen Schwarzweißfilm waren in spezielle Pappdosen verpackt, einige davon wurden vom Fotografen mit Bleistift mit «Ostfront» (deutsch: Ostfeldzug) signiert.

Zu Kriegsbeginn befand sich der Fotograf am Standort der 298. Infanterie-Division der Wehrmacht. Ende Juni 1941 griffen die Soldaten des 298. Infanterieregiments zum ersten Mal an der Ostfront in die Schlacht ein. Das Abzeichen der 298. Infanterie-Division war ein Hirschschädel mit Hörnern und dem Buchstaben G zwischen den Hörnern. Divisionskommandeur war Generalleutnant Walther Graeßner. Während der Invasion der Ukraine war die Division Teil des XVII. Armeekorps, 6. Armee (das später bei Stalingrad besiegt werden sollte).

Alle Fotos wurden in den ersten Monaten, August – September 1941, aufgenommen, als die deutschen Truppen bereits die Hälfte des ukrainischen Territoriums besetzt hatten und sich Kiew näherten. Zu den interessantesten und seltensten Aufnahmen gehören jene, die vermutlich während des sogenannten „Kiewer Kessels“ aufgenommen wurden, der die größte Niederlage der Roten Armee während des Großen Vaterländischen Krieges darstellte. Die deutschen Generäle nannten es „die größte Kesselschlacht des Zweiten Weltkriegs“ und ihren „größten Sieg“. Im Kiewer Kessel von 1941 wurde die gesamte Südwestfront der Roten Armee besiegt und eingenommen: vier sowjetische Armeen wurden besiegt und vollständig vernichtet, zwei weitere wurden teilweise besiegt.

Nach deutschen Angaben verlor die Rote Armee 665.000 Kriegsgefangene. Das ist die höchste Zahl an Gefangenen, die in einer einzigen Schlacht gefangen genommen wurden. Nach Angaben des Generalstabs der russischen Streitkräfte aus dem Jahr 1993 überstiegen die sowjetischen Verluste 700.000 Menschen, von denen 627.800 unwiederbringlich waren. Die Niederlage der Südwestfront öffnete dem Feind den Weg in die Ostukraine, das Asowsche Meer und den Donbass.

Die von diesem unbekannten deutschen Fotografen aufgenommenen Fotos zeigen verschiedene Momente des Lebens und des Todes während des Krieges. Gemessen an der Bildkomposition, der Bildeinstellung, dem eigenen Schatten des Fotografen im Bild und der periodischen Überlappung der Aufnahmen, da der Film in der Kamera nicht richtig gespannt war, war der Fotograf eher ein Amateur. Auf seinen Bildern sieht man den schnellen Vormarsch der deutschen Truppen auf das Territorium der Ukraine, trotz fehlender Straßen, die Reparatur der von der Roten Armee gesprengten Brücken, das Ausruhen deutscher Soldaten, Essen und Impfungen. Aber am eindrucksvollsten sind natürlich die Bilder des Schreckens und des Ausmaßes der Folgen der Kämpfe zwischen der deutschen und der sowjetischen Armee auf den Schlachtfeldern: die noch immer rauchenden Überreste zertrümmerter sowjetischer Ausrüstung, die zurückgelassenen Pferde, die unter Schock liefen, die toten und gefangenen Soldaten der Roten Armee. Alle diese Bilder vermitteln stark die Atmosphäre des Beginns des Krieges, eines Krieges, der noch 4 Jahre dauern und mit der Niederlage Nazideutschlands enden sollte.